Es ist fünf Uhr nachmittags, und ich kämpfe damit, mir einen Reim darauf zu machen, was ich noch auf der Arbeit fertigstellen muss, während ich auf das Chaos auf dem Tisch blicke, der am Vorabend acht großartige Gäste beherbergt hat. In einem Augenblick beschließe ich, dem allen auszuweichen. Vor erwachsenen Aktivitäten davonzulaufen, darin war ich schon immer besonders talentiert. Viennale! Da ist ja die Viennale, erinnert mich mein Freund, der immer noch darauf wartet, dass ich ein paar Filme aussuche, die wir am Wochenende zusammen anschauen können.
Während ich die wenigen Optionen mit verfügbaren Tickets durchstöbere, finde ich meine perfekte Ausrede für intellektuelle Prokrastination. Diners Plaisirs - Les Troisgros, eine vierstündige Dokumentation von Frederick Wiseman. Ich habe eine Stunde Zeit, um mich fertig zu machen und ins Kino zu kommen, keine Zeit aufzuräumen, aber genug Zeit, um auszuwählen, welchen der bunten Schals ich tragen möchte, und einen Moment innezuhalten, um zu entscheiden, ob ich meine Lippen rot oder lila bemalen möchte. Rot soll es sein.
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Ich steige auf mein Fahrrad und komme im Kino an, trinke eine Flasche Coca-Cola aus, bevor ich überhaupt in den Vorführsaal gehe, und hoffe, dass ich die ganze Dokumentation durchhalte.
Der Sitzplatz ist perfekt, so nah am Bildschirm, dass ich fast in einer Schlafposition sitzen kann. Mein Nachbar zur Linken nickt zustimmend: „Das is eine echt gute Idee für den Film“, und mustert meinen großen Beutel Popcorn.
In dem Moment, in dem der Film beginnt, fange ich an zu lächeln. Bauernmärkte. Berührung. Geruch. Sprechen über das, was gerade Saison hat. Die beste Minze. Le Central. Cesar Troisgrois. Leo Troisgrois, Michel Troisgrois. Spargel. Rhabarber. Zutatenkombinationen. Säure. Textur. Einfachheit. Schnitt!
Ich beginne endlich an meinem Popcorn zu knabbern und fühle mich stolz, dass ich es geschafft habe, etwa fünfzehn Minuten der Dokumentation völlig still zu schauen. Ich bin fasziniert. Gefesselt. Ich folge jeder Bewegung, höre auf jedes Wort, achte auf jedes Detail. Ich lächle, lache, rolle mit den Augen. Ich liebe diese Branche, erinnere ich mich und stelle fest, dass vier Stunden von dem, was ich gerade angefangen habe zu schauen, schnell vorbeifliegen werden.
In Menus Plaisirs - Les Troisgros schafft es Frederick Wiseman, den Zuschauer auf intelligente Weise zu fesseln. Die Geschichte der Familie Troisgros, die sich hauptsächlich um ihr Drei-Sterne-Michelin-Restaurant, La Maison Troisgros, dreht, wird mit kurzen Ausflügen in die Geschichten lokaler Bauern, Produzenten und Winzer verwoben. Sie sind wie Mini-Dokumentationen konzipiert, um den Ablauf der Geschichte dynamisch zu gestalten und das Publikum zu fesseln.
Als seltener Kinogänger genieße ich es auch, darauf zu achten, was um mich herum vor sich geht. Das Paar neben mir stößt leise mit ihren Mini-Bierflaschen an. Etwa eine Stunde später öffnen sie eine Flasche Wein. Ich knabbere immer noch an meinem Popcorn und mache mir Sorgen, dass die Menge an Wasser, die ich gekauft habe, im Verhältnis zu der Menge an Salz auf meinen Puffmais nicht ausreichen wird. Ich beschließe, es zu meiner Herausforderung zu machen, meinen Platz nicht zu verlassen, bis die Dokumentation vorbei ist und die Lichter angehen.
Der Raum kichert, als der Maître fromager seine Gäste fragt, welche der vielen Käsesorten, die er gerade aufgezählt hat, sie gerne hätten. Auch ich lache leise und erinnere mich daran, wie ich mich gefühlt habe, als der Brotkorb im Steirereck vor mir ankam und ich mich unter den zwanzig oder so Broten nur an das erste und die letzten beiden erinnern konnte. Aaaargh, Verhaltensökonomie über Angeberei, das Paradox der Wahl, Leute, sage ich mir und empathisiere mit dem Druck, den die Gäste in der Dokumentation gezeigt haben.
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Die Idealisierung der gehobenen Küche ist ein Trugschluss unserer Zeit, einer, der sich gerade mit Filmen und Serien wie The Menu oder The Bear, sowie mit Journalisten, die neugierig sind, was hinter den Kulissen vor sich geht, ändert. Frederick Wisemans Dokumentation kann, wenn man sie nicht mit kritischem Auge betrachtet, als Ode an die Standards der drei Michelin-Sterne wahrgenommen werden. Was der Regisseur jedoch gut schafft, ist zu zeigen, dass hinter fast klinischer Perfektion Normalität liegt. Ich bin mir nicht sicher, ob die Szene mit der Fliege, die über Michel Troisgros' Teller schwebt, absichtlich dringelassen wurde, aber ich habe aufgehört, mir vorzustellen, dass das Personal vor dem Service mit einer Insektenklatsche durch das Restaurant rennt.
Ich applaudiere am Ende der Dokumentation sowie meiner neu entdeckten tadellosen Geduld und mache mich auf den Heimweg.